Ich kann an dieser Stelle selbstbewusst behaupten, das ich und meine kleine Familie zur Mittelschicht gehören. Paul Nolte setzt sich in seinem Buch „Riskante Moderne“ unter anderem mit dem Phänomen der Kinderlosigkeit bei der Mittelschicht auseinander.
Er schreibt wörtlich „Gerade die akademische Kinderlosigkeit vergeudet Kultur- und Bildungsreserven, indem sie diese nicht an die nächste Generation weitergibt“. Die Aussage „Armut gebiert Kinder und nicht Kinder machen arm“ trifft hier meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf. Diese Armut beginne „mit dem Fehlen materieller und kultureller Ressourcen und übersetzt sich in Frustration und Verlust an Bindungsfähigkeit, etwa in Verantwortungsverweigerung von Vätern, womit sich der Teufelskreis schließt“. So entsteht Armut und Chancenlosigkeit der Kinder in den unteren Schichten.
Gerade das unbeschwerte Leben in der bürgerlichen Mitte mit all den Privilegien macht doch das Leben mit Kindern zu einem guten Leben. Leider ist das klassische Familienmodell in Verruf geraten, was jedoch aus gesellschaftlicher Sicht tatsächlich eine Bankrotterklärung ist. Hierbei werden Kinder unter anderem als Bremse für die Karriere und als Hemmschuh für die Verwirklichung eigener Ziele wahrgenommen. Vielleicht ist es auch der Zweifel in die eigene Fähigkeit, Kinder groß zu ziehen oder die Angst vor dem Verlust des gewohnten Standards – zwei Vollverdiener können diesen nun mal viel einfacher halten. Die Gründe für diese Entwicklung können, wie man sieht, vielfältig sein. Hier stellt Nolte jedenfalls folgerichtig fest, das die bürgerliche Mitte gesellschaftlich eine besondere Verantwortung trägt. Wozu also Kinder kriegen? Meine Antwort darauf ist, das diese Gesellschaft sich nur so von innen heraus erneuern kann. Alles andere führt dazu, das ohnehin der bereits spürbare Verlust der Werte und des kulturellen Reichtums dieser Gesellschaft zu einer ernsten Gefahr wird – einer Gefahr für unsere auf liberalen Werten gegründete Gesellschaft als solche, die sich immer mehr zu einer Gesellschaft der Extreme entwickelt. Würde ich also mein früheres ich treffen, würde ich die Frage „Wozu Kinder kriegen?“ damit beantworten.
Die Wahrheit, wie ich zu meiner kleinen Familie kam, ist im Übrigen aus meiner Sicht nicht sonderlich kompliziert – ich wusste einfach nicht was auf mich zukommt und habe es gewagt. Den richtigen Augenblick fürs Kinder kriegen gibt’s ohnehin nie. Ich hatte das Glück, nach einer sehr bewegten Zeit voller Unsicherheiten als Heranwachsender und später als junger Erwachsener, nach meiner Ausbildung voller Zuversicht in eine gute Zukunft und somit nach Vorne sehen zu dürfen und hatte den für mich idealen Partner. Für mich war irgendwie klar, das Kinder großziehen als Aufgabe zu meinem Leben dazu gehören wird. Oder mit den Worten meiner Frau ausgedrückt: „Du warst schon immer ein Jammerlappen. Die Kinder sind jetzt nun mal da. Sehen wir es also einfach pragmatisch: ich möchte nicht zwei Kinder allein erziehen und du möchtest nicht für zwei Kinder den Unterhalt bezahlen“. Dem ist nix mehr hinzuzufügen.