Gegenseitiger Respekt gehört zu jeder Beziehung. Selbst dir gegenüber solltest du respektvoll sein – das ist nichts Neues und sollte selbstverständlich sein. Doch selbstverständlich ist es nicht immer, auch nicht innerhalb der Familie. Rückblickend sehe ich, wie sehr wir alle gefordert waren: die Grenzen der Kinder kennenzulernen, aber ebenso die eigenen.
Das ist nicht leicht, ich weiß. Und wir beide wissen auch, dass es eine gewisse Frustrationstoleranz braucht, um den Anforderungen des Lebens mit Haltung zu begegnen. Genauso geht es deinen Kindern. Der Unterschied: sie haben noch nicht deine Erfahrung. Für sie fühlt sich vieles unüberwindbar an, was du längst einordnen kannst.
Gerade deshalb ist es schwer, diese frustrierenden Momente auszuhalten – besonders dann, wenn sie den ohnehin komplizierten Tagesablauf noch mehr durcheinanderbringen. Muss das so sein? Ein Stück weit ja. Gesellschaftliche Zwänge prägen uns, Regeln strukturieren den Alltag. Gleichzeitig ist es ein Privileg, als Familie alles zu haben, was man wirklich braucht. Doch der Alltag zehrt an den Kräften, schafft eine Grundanspannung, die kaum vermeidbar ist.
Umso wichtiger ist es, den Kindern dort, wo es möglich ist, Respekt und Verständnis zu zeigen. Natürlich gibt es Momente, in denen du dich durchsetzen musst. Jesper Juul beschreibt in seinem Buch Nein aus Liebe, wie viele Facetten ein Nein haben kann – und wie entscheidend der Tonfall ist. In einem anderen Werk (Grenzen, Nähe, Respekt) betont er, dass die Liebe zwischen Eltern und Kindern so groß und so verletzlich ist, dass beide Seiten ständig Gefahr laufen, die Grenzen des anderen zu überschreiten. Seine Erkenntnis: Am wenigsten verletzend wirkt es, wenn die Erwachsenen den Ton angeben – klar, aber respektvoll.
Gleichzeitig gibt es viele Gelegenheiten, Respekt im Alltag zu üben. Manchmal reicht es, in brenzligen Situationen einfach daneben zu stehen und abzuwarten. Krisen kommen und gehen – bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen. Angebote für Ablenkung sind nicht immer hilfreich; manches müssen Kinder allein durchstehen. Was du aber tun kannst: beiläufig beschreiben, was du wahrnimmst. Oft genügt das schon, um Orientierung zu geben.
Und nicht zuletzt: Ein Nein deines Kindes zu respektieren. Auch wenn dadurch deine Pläne über den Haufen geworfen werden. Genau hier liegt ein Schlüssel zum Selbstwertgefühl deines Kindes. Denn Respekt bedeutet nicht nur, Grenzen zu setzen – sondern auch, die Grenzen des anderen ernst zu nehmen.
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