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Menschvadder, einfach mal auflaufen lassen…

Es ist alles andere als leicht, die eigenen Kinder bewusst ins Stolpern laufen zu lassen – in der Hoffnung, dass sie an den eigenen Fehlern wachsen. Im Kern bedeutet es ja, jemanden über die eigenen Füße stolpern zu lassen, und gleichzeitig darauf zu vertrauen, dass genau darin eine Lektion verborgen liegt.

Lange habe ich geglaubt, man könne Kindern alles erklären: warum etwas schädlich ist, warum bestimmte Dinge nicht zu ihnen passen. Ich war überzeugt, dass logische Argumente genügen würden – und zeigte mich erstaunlich geduldig, wenn das erhoffte Ergebnis ausblieb. Doch mehr Reden brachte selten den ersehnten Erfolg. Im Gegenteil: oft blieb es beim alten Muster.

Mindestens ebenso schwer fällt es mir, Situationen einfach laufen zu lassen, wenn etwas schiefläuft – nicht sofort einzugreifen, nicht sofort zu korrigieren. Zuhause wird dann die Luft schnell dick. Unsere Kinder akzeptieren direkte Einmischung oder striktes Durchgreifen kaum, und so entsteht Frust auf beiden Seiten. Die Konflikte belasten nicht nur die einzelnen Momente, sondern prägen die Stimmung des ganzen Hauses.

Besonders mit Julian wird es oft herausfordernd. Er legt großen Wert auf Selbstbestimmung und empfindet jede äußere Einschränkung als Angriff. Abmachungen sind für ihn nur dann bindend, wenn er einen unmittelbaren Vorteil darin erkennt. Andernfalls begegnet er ihnen mit Widerstand – oder mit Provokationen, die seine erlebte Ungerechtigkeit unterstreichen sollen. Wir haben mit ihm schon unzählige Situationen durchgespielt, und irgendwann zehrt das an den Kräften – an meinen ebenso wie an denen meiner Frau. Manchmal stehen wir beide am Rand der Verzweiflung.

Und doch glaube ich, dass sich mit der Zeit eine gemeinsame Kommunikationsbasis entwickelt. Sie wächst nicht so schnell, wie wir uns wünschen, aber sie wächst. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, diese schwierigen Situationen auszuhalten – auch dann, wenn es so viel leichter wäre, alles mit einem klaren Machtwort zu beenden. Manchmal zeigt sich Einsicht tatsächlich erst nach einem heftigen Krach. Ich habe gelernt, dass auch der Zeitpunkt und die Umgebung entscheidend sind: in einer entspannten Situation, im richtigen Moment, kommt Gesagtes oft viel eher an.

Ebenso wichtig ist es, Interesse am Alltag der Kinder zu zeigen – ihre Stimmung, ihre Gemütslagen wahrzunehmen. Bei Julian schwankt das stark, während sein kleiner Bruder viel konstanter ist und Rückschläge leichter wegsteckt. Es gibt Tage, da hängt schon am Vormittag eine dunkle Gewitterwolke über dem Haus, die sich in heftigem Streit entlädt. Doch am Abend sitzen wir dann doch wieder zusammen beim Essen, finden zurück zu einem gemeinsamen Miteinander. Besonders wertvoll sind für mich die Momente, in denen gemeinsame Unternehmungen nicht nur den Kindern Freude machen, sondern auch mir selbst etwas geben. Sie spüren sofort, ob ich mit Hingabe dabei bin – oder ob ich nur aus Pflichtgefühl mitmache. Deshalb habe ich versucht, diese gemeinsamen Hobbys unabhängig von Konflikten zu bewahren, nie als Druckmittel einzusetzen.

Vielleicht liegt darin die schwerste Lektion für uns Eltern: zu akzeptieren, dass wir nicht immer Einfluss nehmen können, nicht immer Einsicht erzwingen können. Es bleibt, die Balance zu halten zwischen Führen und Loslassen – und darauf zu vertrauen, dass unsere Kinder ihre eigenen Wege finden.

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